 
               Hochhaus am Knie: Symbol einer Ära steht vor dem Ende
Es war einmal eines der bekanntesten Gebäude Hoyerswerdas – das Hochhaus am Knie. Seit über 50 Jahren prägte es die Silhouette der Neustadt, an der markanten Biegung der Bautzener Allee. Gebaut wurde es 1973 als Teil des Wohnkomplexes VI – ein stolzer Elfgeschosser mit rund 130 Wohnungen, entworfen im Stil der damaligen DDR-Plattenbauarchitektur. Für viele Menschen war das Hochhaus ein Zuhause, für andere ein Symbol der Aufbruchsjahre, als Hoyerswerda mit der Braunkohle- und Energieindustrie wuchs und aufblühte.
Heute steht das Gebäude leer. Der Abriss ist beschlossen – und spaltet die Stadt.
Vom Vorzeigeprojekt zum Sanierungsfall
In den 1970er-Jahren galt das Hochhaus am Knie als modern. Fernwärme, Aufzüge, weite Blicke über die junge Neustadt – für damalige Verhältnisse war das komfortables Wohnen. Doch die Geschichte Hoyerswerdas verlief anders, als man es sich damals erträumt hatte. Nach der Wende schrumpfte die Stadt, viele Menschen zogen weg, ganze Straßenzüge leerten sich. Aus 70.000 Einwohnern wurden gut 30.000.
Zahlreiche Plattenbauten verschwanden seitdem aus dem Stadtbild. Das Hochhaus am Knie überstand diese Wellen – zunächst. 2010 stand es bereits auf der Abrissliste, doch eine Bürgerinitiative erreichte, dass der Bau noch mindestens 15 Jahre Bestandsschutz erhielt. Jetzt läuft diese Frist aus, und die Wohnungsgesellschaft Hoyerswerda (WGH) hat entschieden: Das Haus soll weichen.

Streit um den Abriss
Im September 2024 votierte der Aufsichtsrat der WGH mehrheitlich für den Rückbau. Begründung: Der Sanierungsaufwand sei zu groß, die Bauweise nicht mehr zeitgemäß. Zudem seien für den Abriss Fördermittel zugesagt, die verloren gingen, würde man die Arbeiten verschieben. Der geplante Rückbau soll bis spätestens Anfang 2026 abgeschlossen sein.
Die Stadtverwaltung verweist darauf, dass sie rechtlich nicht zuständig sei – das Gebäude gehört der WGH, einer eigenständigen Gesellschaft. Der Stadtrat darf daher nicht über den Abriss entscheiden, sondern nur beraten. Für viele Bürgerinnen und Bürger wirkt diese Haltung wie ein Wegducken: „Das Hochhaus gehört zur Identität der Neustadt“, heißt es in Leserbriefen und sozialen Netzwerken.
Neue Ideen statt Abrissbagger
Ganz kampflos wollen einige Engagierte den Verlust nicht hinnehmen. Unter dem Namen „Engagierte Stadt Hoyerswerda“ hat sich eine Initiative gebildet, die für einen Erhalt des Gebäudes kämpft. Die Gruppe – darunter Fachleute aus Stadtplanung, Energieversorgung und Architektur – schlägt ein innovatives Konzept vor: Das Hochhaus soll in ein Energie-Hochhaus verwandelt werden.
Die Idee klingt ambitioniert, aber technisch machbar: Wärmepumpen, Solarkollektoren und Photovoltaik an der Fassade könnten künftig Strom und Wärme für das Quartier liefern. Eine Vorstudie der städtischen Versorgungsbetriebe (VBH) habe laut Initiative gezeigt, dass das Konzept realisierbar wäre. Aus einem leerstehenden Plattenbau könnte so ein Vorzeigeprojekt für nachhaltige Stadtentwicklung entstehen.
Obwohl Fachleute das Konzept positiv bewerten, stößt es bei Stadt und WGH bislang auf Skepsis. Die Verantwortlichen fürchten, dass der Aufwand und die ungewisse Finanzierung am Ende teurer wären als der Abriss.
Petition und öffentlicher Druck
Ende September 2025 startete die Initiative eine Online-Petition mit dem Ziel, den Abriss zumindest zu verschieben. Der Titel: „Abriss-Aufschub für das Hochhaus am Knie – zur Prüfung einer Alternatividee“. Die Forderung: einen befristeten Baustopp, um Zeit für eine seriöse Wirtschaftlichkeitsprüfung zu gewinnen. Knapp 200 Menschen haben bereits unterschrieben – für eine Stadt dieser Größe kein schlechtes Signal.
Cornelia Deus, eine der Mitinitiatorinnen, brachte die Petition in den Stadtrat ein. Sie appellierte an die Verantwortlichen, das Gebäude nicht vorschnell aufzugeben. „Hoyerswerda braucht Mut für neue Ideen, nicht nur Abriss und Rückbau“, sagte sie im Gespräch mit lokalen Medien.
Trotzdem bleibt die Stadt bei ihrer Linie. Der Antrag der Initiative soll für unzulässig erklärt werden, da der Stadtrat über fremdes Eigentum nicht entscheiden kann. Ein Abriss-Stopp gilt damit als unwahrscheinlich.

Ein Stück Stadtgeschichte verschwindet
Der Bauzaun steht bereits, und viele Anwohner haben sich innerlich vom Hochhaus verabschiedet. Es ist nicht das erste Mal, dass Hoyerswerda ein Stück seiner DDR-Architektur verliert – und vermutlich auch nicht das letzte. Doch das Gebäude am Knie hatte eine besondere Bedeutung: Es markierte den Eingang zur Neustadt, war über Jahrzehnte ein Fixpunkt im Stadtbild und ein emotionaler Anker für viele ehemalige Bewohner.
Wenn die Bagger in den kommenden Monaten anrollen, verschwindet nicht nur Beton, sondern ein Stück Stadtgeschichte. Für die einen ist es ein notwendiger Schritt im Stadtumbau, für andere ein symbolischer Verlust.
Wie auch immer man es sieht – das Hochhaus am Knie steht für eine Zeit, in der Hoyerswerda einmal glaubte, die Zukunft zu bauen.
